Klosterziegler


1972 erlebte Richard Bucher seine Offenbarung: die untergehende Sonne beleuchtete vor seinen Augen die lebendige Struktur eines Biberschwanzdaches und weckte so seine Leidenschaft für Ziegeldächer. Inzwischen hat er sich als Restaurator historischer Ziegeldächer unter anderem in Basel einen Namen gemacht. Er betreibt das Atelier des Klosterzieglers in St. Urban.


Richard Bucher ist in Bümpliz und in Burgdorf aufgewachsen. Dort wurde er zu einem Burgenfan und war als Jugendlicher bei Ausgrabungen unter anderem auch im Schloss dabei. 1962 fand er im Schlossgraben von Burgdorf den ersten Backstein, der aus St. Urbaner Produktion stammte. Nach der obligatorischen Schulzeit besuchte er das Lehrerseminar in Langenthal und nahm 1972 eine Stelle in Lyssach an.

Es war auch in diesem Jahr 1972, als ihm die untergehende Sonne die lebendige Struktur eines Biberschwanzdaches offenbarte und er seine Leidenschaft für Ziegeldächer entdeckte. In seiner ersten Ziegelfotografie hat er den Blick aus dem Dachfenster der «Traube» in Azmoos nördlich von Sargans festgehalten – ein Jahr später erhielt der Gasthof ein neues Dach aus Maschinenziegeln. Seither ist er Sammler und Retter von Dachziegeln und Bruchstücken und interessiert sich auch für die Herstellung von Bodenplatten und Backsteinen.

In einer Zweitausbildung bis 1976 lernte er in Basel Zeichen- und Werklehrer und unterrichtete sieben Jahre lang am Lehrerseminar Basel. Die nächsten vier Jahre engagierte er sich im Leiterteam an einem Lehrlingsheim der Firma Ciba-Geigy. In der dritten Ausbildung studierte Richard Bucher Heilpädagogik. Während dieser diversen Tätigkeiten und Ausbildungen blieb er seinem brennenden Interesse für Baukeramik treu: In den Jahren 1988 und 1989 baute er zusammen mit der Steinerschule Spiez einen Feld-Brotbackofen für 10 kg Brot pro Backgang. Die fast 600 Biberschwänze für das Dächlein stellten fleissige Schülerhände her unter seiner Leitung. Einen zweiten Backofen für 15 kg Brot erbaute er 1996 mit der Schule des Dörfchens Risch am Zugersee. Das Gemeinschaftswerk ziert ein geschraubtes Kamin mit Bernerhut.

Seit 1991 ist Richard Bucher selbständig als Handziegler tätig, unter anderem als Freier Mitarbeiter des Ziegeleimuseums Cham. Zu seinen Tätigkeiten gehören auch Beratung und Restaurierung von historischen Ziegeldächern. Wenn sich der Aufwand lohnt, baut er die Streichform für die gewünschte alte Ziegelform nach, um eine kleine Zahl von Handziegeln zu fertigen. So erhielt der Rathausturm in Basel 1991 seine vier obersten neugotischen Firstziegel «aus Buchers Hand und Werkstatt». 1992 kam Richard Bucher nach St. Urban, wo das Kloster im Mittelalter ein Zentrum der Backstein- und Ziegelproduktion war. Im ehemaligen Kloster richtete sich Richard Bucher in den alten Stallungen ein Atelier ein, die «Klosterziegelei». Den Ton bezieht er aus der Grube der Ziegelwerke Roggwil, wo er auch seine Werkstücke im Tunnelofen brennen lässt. 1995 versprach er dem Historischen Verein des Kantons Bern eine Führung beim «Klosterziegler von St. Urban». Um auch etwas neues zeigen zu können, begann er in die Sparte der verzierten Backsteine vorzudringen, jene Keramik also, für welche die Mönche von St. Urban besonders berühmt waren. Richard Bucher schnitzte aus Holz seine ersten vier Model-Stempel.


Jetzt kam zum «Ziegelfieber» auch noch die Leidenschaft für Relief-Backsteine. Für einen Vortrag beim Verein Burgruine Grünenberg 1996 überraschte er das Publikum mit einem Wappen-Model von Grünenberg, einem leicht plastischen Sechsberg. So tastete er sich an die Herausforderung des «Grünenberger Models» mit drei plastischen Figuren heran. Die Idee, Bodenplatten-Duplikate herzustellen, begann allmählich in den Köpfen herumzugeistern. Auch bei den Backsteinen warteten Herausforderungen: Grosse Werkstücke wie Fensterleibungen und Fensterbögen kamen 1997 dazu und gelangen auf Anhieb. Wunschtraum von Richard Bucher ist es, sich in St. Urban definitiv einzurichten und sowohl touristisch wie kunsthandwerklich eine Attraktion zu bieten.

Text nach Wenger, Lukas: Neue St. Urban-Backsteine nach altem Vorbild, in: Jahrbuch des Oberaargaus, Band 41, Merkur Druck AG, Langenthal, 1998. 231-233.